Beitrag aus der Zeitung

veröffentlich in der b-Zeitung

Blutegeltherapie: Die heilende Kraft der kleinen Sauger


Die Blutegeltherapie ist ein traditionelles Heilverfahren, das seit Jahrhunderten in der Medizin genutzt wird. Sie gehört zu den ausleitenden Verfahren und wird vor allem in der Naturheilkunde und Komplementärmedizin angewendet. Dabei werden medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) auf die Haut gesetzt, um durch ihren Biss und die Abgabe des Speichels verschiedene gesundheitliche Vorteile zu erzielen.

Wo kommen die Blutegel her? Die Biebertaler Blutegelzucht (BBEZ) ist eine der wichtigsten und bekanntesten Zuchtstationen für medizinische Blutegel in Europa. Dort werden Blutegel unter optimalen Bedingungen gehalten und medizinisch geprüft. Sie werden speziell für den Einsatz in der Therapie gezüchtet und sind frei von Krankheitserregern. Blutegel dürfen nur einmal am Patienten verwendet werden, um den Infektionsschutz zu gewährleisten. Nach getaner Arbeit können Sie im Blutegel-Rentnerteich ihr Leben fortführen, bis sie eines natürlichen Todes sterben. 

Wie wird die Blutegeltherapie durchgeführt? Die Blutegel werden an der betroffenen Stelle auf die Haut gesetzt. Mittels ihrer drei kleinen Kiefer mit insgesamt mehr als 200 winzigen Zähnchen beißen sie zu und beginnen Blut zu saugen. Ihr Biss ist kaum spürbar, denn der Speichel enthält betäubende Substanzen, die den Schmerz reduzieren. Der Saugvorgang dauert etwas 30 bis 90 Minuten. Sind die Blutegel satt, fallen sie ab. Die entstandenen Wunden bluten nach, was, ähnlich einem Aderlass, dazu führt, dass Entzündungsstoffe und Stoffwechselabfallprodukte ausgeschieden werden können. Anschließend bildet sich ein Krüstchen, dessen Heilung einige Tage bis Wochen andauert, selten bleibt eine kleine Narbe zurück.

Was macht die Blutegeltherapie so wirksam? Ihr Speichel enthält über 100 bioaktive Substanzen, deren Erforschung noch längst nicht abgeschlossen ist. Sichere Informationen gibt es insbesondere für das Hirudin, den bekanntesten Wirkstoff. Hirudin ist ein natürliches Antikoagulans (Blutverdünnungsmittel), welches Thrombin, ein Enzym zur Blutgerinnung, blockiert. Die Fließeigenschaft des Blutes wird optimiert und die Sauerstoffversorgung im Gewebe verbessert. Eglin, ein weiterer Wirkstoff des Speichels, wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd. Es gehört zur Gruppe der Protease-Inhibitoren und blockiert Enzyme, die für die Entstehung von Entzündungen verantwortlich sind. Andere Substanzen, wie die Hyaluronidase fördern das Eindringen der Wirkstoffe ins Gewebe. Sicher ist: Der Speichel der Blutegel wirkt blutverdünnend, entzündungshemmend, schmerzlindernd und durchblutungsfördernd. 

Bei welchen Beschwerden sind Blutegel einsetzbar? Inzwischen gibt es viele Studien, die eine signifikante Wirksamkeit von Blutegeln nachweisen konnten. Bei Kniegelenksarthrose, Rhizarthrose (Daumengelenkarthrose), Rückenschmerzen und Epikondylitis (Tennisellbogen) werden die Symptome deutlich gelindert. Insgesamt führte die Blutegeltherapie bei schmerzhaften Arthrosen zur bestmöglichen Schmerzreduktion, effektiver als Antirheumatika, Schmerzmittel oder ggf. Operationen (siehe Literatur-Tipp). Weitere Anwendungsgebiete sind beispielsweise Venenerkrankungen und die Wundversorgung. Nicht geeignet ist die Therapie für Menschen mit Blutgerinnungsstörungen, stark blutverdünnenden Medikamenten, Immunschwäche oder Allergien gegen den Blutegelspeichel, letztere treten jedoch nur sehr selten auf. 

Fazit: Die Blutegeltherapie ist eine wirksame Behandlungsmethode und interessante Alternative bzw. Ergänzung zu klassischen medizinischen Verfahren. Sie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und durchblutungsfördernd. Wir sind gut beraten, uns an die heilende Kraft der kleinen Sauger zu erinnern. Vertiefende Informationen finden Sie in dem Buch von Prof. Andreas Michalsen: Heilen mit der Kraft der Natur.

Ihre Dr. med. Grit Schlesiger 



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